Erdedy & Kate Gompert

14. September 2009 |

Meine beiden Lieblingspassagen bisher: 2x „Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche“ (S. 28-41 Erdedy und S. 99-114 Kate Gompert): Auffällig daran ist, dass Gompert in ihrer depressiven Tragik genau das Ende des Weges markiert, auf dem Erdedy sich befindet. Der direkte gegenseitige Verweis aufeinander nicht zuletzt durch den „Typen, der in seinem Wohnwagen Schlangen hält“. Die Aufsplitterung ein- und desselben Konfliktfeldes auf zwei Figuren, gezeigt an den unterschiedlichen (Verfalls)Stadien dieser Figuren, fährt schräg bei mir ein. Das Buch liest an dieser Stelle mich. Oder besser: Ich lese, gespiegelt durch die Erzählweise des Buches, meine eigene Lektürepräferenz. In diesem Fall: Meinen Konservatismus, mein Bedürfnis nach einer linearen Erzählstruktur, nach einem Hervorgehen der Ereignisse auseinander. Der daraus resultierende Verdacht: Wallace kann nicht erzählen. Die ganze Zerhackung und Zerhäckselung des Romans ist weniger einem Konzept als vielmehr der Not geschuldet. Brilliant bleiben die Passagen trotzdem. Nur eine einfühlende Lektüre stellt sich dadurch bei mir nicht ein. Der Autor, der das Ganze erzählt, ist zu präsent.

1 Kommentar zu Erdedy & Kate Gompert

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Stefan Beuse

15. September, 2009 um 08:48

Ja, der Verdacht liegt natürlich immer nah: Nichts ist einfacher, als so ein paar Halbideen aus der Schublade, verworfenen Romananfänge, nicht zuende gedachten Essays und stilistischen Fingerübungen, die sich im Lauf der Jahre in der Schublade gesammelt haben, im Nachhinein einen konzeptionellen Überbau zu verpassen und dann als postmodernes Kunstwerk zu verkaufen. Wenn alles mit allem zusammenhängt, ist ja auch alles möglich, oder? Und die Kritiker werden schon einen Sinn drin sehen.

Dass DFW nicht erzählen kann, muss man, glaube ich, ausschließen; ich habe Passagen von ihm gelesen, die niemand so hinbekommen hätte, und auch ich ertappe mich dabei, dann zu denken: Hey, du kannst es doch, erzähl das doch mal konsequent zuende, ohne den ganzen Tand und ohne Gepose, bleib doch verdammt noch mal bei der Sache; die Es-gibt-keine-Geschichten-mehr-Nummer ist doch vorbei …

Zwar bin ich mir sicher, dass auch Infinite Jest das Ergebnis eines hochreflektierten Umgangs mit der Wirklichkeit ist. Aus allem, was ich darüber weiß, was ich lese und was einem so zugetragen wird, schließe ich, dass das ganze Ding so DERMASSEN durchdacht ist, dass man vor Ehrfurcht irgendwann umfällt und sich schämt, jemals Böses gedacht zu haben. Aber ich bekenne: Zwischendurch packt mich immer eine unbändige Lust, ein paar Seiten Simon Beckett zu lesen, Stieg Larsson oder meinetwegen sogar Dan Brown. Dann will ich eine Geschichte von der Art, wie sie am Feuer erzählt werden, um die Dämonen zu bannen. Eine Geschichte, die trösten, wärmen, retten kann. Die einen absorbiert, umhüllt und nicht will, dass man vor ihr auf die Knie fällt.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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