Ich gestehe²: Wie gesammelte biografische Skizzen und getunte Dope-Notate (= Dopate) kam mir der Spaß vor; kurzweilig zwar, aber wie bereits erwähnt: doch irgendwie spröde! Bis sich bei der gestrigen Lektüre endlich das Roman-Gefühl einstellte. Genauer, an zwei Stellen:

1) Bei der Genesis der Panik (S.89f).
2) Bei der Visite (S. 99ff).

Daraus wäre zu schließen, dass ich zu deutlicher, vielleicht bodenständiger Prosa mit dem specific human touch neige; keinesfalls. Alles, was wie reifer Shandy aussieht, wird geext. Vielmehr liegt es am Unterschied beider Stellen zum Text davor. Man könnte es Maß nennen oder Normalität; in gewissem Sinne auch Ehrlichkeit. Nur ist es das allein auch nicht. Es wäre ein zu einfaches Modell. Das bürgerliche Tempolimit für den Roman ist ja sowieso indiskutabel.

Eher ist es so, als ob der direkte Ton beider Passagen Wallace sirrende, asthmatische Stimme erden konnte, wodurch mir erstmals die narrative Fallhöhe, bzw. seine Sprungtiefe definiert scheint. Denn ohne auf die biografische Deutung zurückzugreifen, muss man doch in der Beschreibung der Panik und in Katherines Apologie des Suizids einen ungleich stärkeren existenzielleren Zug feststellen; der zwar vorhanden war, aber ganz von den burlesken Elementen überdeckt wurde.

Juxtaposing Arzt und Patient: In dieser Vertauschung ihrer mindsets ist das, wie ich finde, sehr gut angelegt: Patient Katherine ist ruhig, und kann Erklärungen und Antworten bez. ihrer vermeintlichen Fehlfunktion geben. Der Arzt dagegen ist ein neurotisches Wrack, dem Mensch Katherine nur noch als pathologische Checkliste erscheint, und der sich mühen muss, menschlich mit ihr umzugehen. Hier bekommt der Roman seine Bodenhaftung, und damit die Komik ihre Schärfe.

Sprüche und Witze waren oft die Flaschen, in denen klinisch depressive Menschen ihre gellendsten Hilferufe nach jemandem aussendeten, der sich um sie kümmern sollte. (S. 104)

Jetziger Stand: S. 111.
Ich bin vorerst angefixt.
Hoffe, dass Wallace es durchhält. Wahrscheinlich ist es auf die Ironman-Distanz von 1500pp+ leider nicht. Der Tod ist nur einer vieler strenger Lehrer. Als menschliche Brust aber hofft man unendlich.

¹ Aus: Essay on Man, Pope.

Hope humbly, then; with trembling pinions soar;
Wait the great teacher Death; and God adore.
What future bliss, He gives not thee to know,
But gives that hope to be thy blessing now.
Hope springs eternal in the human breast:
Man never is, but always to be blest:
The soul, uneasy and confined from home,
Rests and expatiates in a life to come.

² Wallace und Britney verbindet mehr, als man denkt:

My loneliness is killin me
I must confess I still believe
When I’m not with you I lose my mind
Give me a sign, hit me baby one more time!

Eine genauere Untersuchung der frappierenden Paralellen beider Karrieren (ab 1996 Aufstieg / Abstieg um 2006; der Eine zum Orkus, die Andere zur Übergrößenabteilung) steht noch aus!

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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