12. November

13. November 2009 |

9.45. Morbus Gompert wohin man schaut. Gestern fragten sie noch nach Texten über Sport und Gefühl. Heute wissen sie schon eher, worüber wir reden, wenn wir von Depression reden. Immerhin. Aber keiner weiß, wie sichs wirklich anfühlt. Nicht verzagen, Spaß lesen. Wer den Gompert-Monolog durchlitten hat, ahnt wenigstens, wie weh das tut in jeder Zelle, wie es die Welt verstellt, die Wirklichkeit vergiftet. Warum hab ich die Ahnung, dass bald jeder vor die Kameras tritt und behauptet ganz furchtbar depressiv gewesen zu sein. Depri a la Mode.
Kate Gompert jedenfalls liegt jetzt auch am Boden. Die Sternfahrt um Matty Pemulis und Poor Tony Krause geht weiter. Kate sieht die „ganze Szene violett tingiert“. Auch hübsch. Ruth van Cleeve rast hinter Poor Tony her. Noch eine gnomige Gestalt taucht allmählich aus dem zusammenprallgestörten Wirklichkeitsnebel der Kate Gompert auf: eine lilafarbene Gestalt eines Bärtigen im Soldatenmantel, Speichelspuren im Bart. Eklig, mit Pilzbefall auf der Hand, die olfaktorische Katastrophe von einem Augenzeugen. Kate erinnert sich an den Überfall, als die hässlichste Frau des Universums (unser Poor Tony) zwischen ihnen hindurchsprang und Ruth van Cleeve ihn als Fickfehler einer Kirmeshure bezeichnete.
Blickwechsel. Lenz. Folgt zwei Chinesinnen, wen immer er damit meinen will. Kate und Ruth? Lenz, der Tiertöter, sieht gefährlich bunt aus, ein Papageno der Gosse: „Lenz trug eine neongelbe Skihose, einen leicht glänzenden Frackmantel mit langen Schößen, einen Sombrero mit Holzkügelchen, die an der Krempe baumelten, eine überdimensionierte Schildpattbrille, die sich bei hellem Licht von selbst verdunkelte, und einen glänzenden schwarzen Schnurrbart, den er von der Oberlippe einer Schaufensterpuppe bei Lechmere’s in Cambridgeside abgestaubt hatte“. Lenz ist bewaffnet. Kommt an der Kackenden vorbei. Und an einem Mann, der mit Spielzeugpfeilen um sich schießt. Hatten wir den schon?
Nicht ganz nachvollziehbar, um es vorsichtig zu formulieren, reden jetzt die Assassins des Fauteuils Rollants in ihrem brüllanten Deutsch. Die sitzen immer noch in Antitois’ Laden. Und irgendwie läuft alles auf den Laden der verendeten Brüder zu.
Jetzt rennen wir mit Poor Tony auf seinen Pömps herum. Er hatte ein Ding im Nacken. Bei dem es sich, das weiß er aber nicht, um Ruth van Cleeve handelt. Er rennt und rennt und rennt auf die Antitois zu. Das Ding kommt immer näher.
Wir hüpfen auf unseren Siebenmeilepömps in den Antitoisladen. Da sitzen die Rollis und gehen der lebensgefährlichen Arbeit des Videoguckens nach. Was sie mit der tödlichen Patrone wollen? Der Schwachstelle der US-amerikanischen Partikularinteressen eine Hoden-frappe beizubringen, nach welcher Kanada keine Lust mehr auf Vergeltungsmaßnahmen seitens der USA hätten. So ganz genau weiß ichs immer noch nicht. Aber ich bin ja auch blöd. Joelle macht sich derweil Sorgen um ihre Zähne. Die werden – wie alles ums Gehege der Zähne herum – nämlich vom Crackrauchen ziemlich ruiniert. Und ihr Zahnarzt ist Don Gately. Jedenfalls in ihrem Alptraum. Wenn ich alpträume, träum ich auch von Zahnärzten. Und die sind auch nicht schöner als die von Joelle.
Hannover trägt Trauer. Bierhoff weint bei der Pressekonferenz. Alle wollen jetzt wieder viel. Vor allem mehr reden. Und ganz lieb auf einander aufpassen. Hoffentlich hält das länger, als eine Zeitung zum Verfaulen braucht. Und es wird mal geredet über ein paar dunkle Flecken auf der persilweißen Weste des Sports und dem Mutantenstadl seiner Fans. Über Doping. Über Drogen. Über Rassismus. Über Schwulsein. Über Depression.

7 Kommentare zu 12. November

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Homer Simpson

14. November, 2009 um 01:08

HILFE!!! Meine Güte, ich hab das Buch am 11.11.09 vor drei Tagen begonnen. Meine Fresse, dass wird ein hartes Stück Arbeit. Hat hier irgendjemand Tips? Nur zur Info: Ich bin ein Buch-Freak. Also sieben Stunden am Stück lesen ist kein Problem. Auch die Turm Reihe von King (ja ich weiß was ganz anderes, aber lese-Mengen-techisch auch anspruchsvoll) habe ich geschafft. Ich weiß ich werds packen, aber hey, irgendwelche Tips von Leuten die durch sind, oder noch mitten drin möcht ich einfach hören. Danke euch ;-)

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Aléa Torik

14. November, 2009 um 10:59

Hallo Homer,

wenn Jesus Jerkoff nicht gewesen wäre, dann wüsste ich jetzt gar nicht wer du bist und ich hätte dich für zweitausendfünfhundert Jahre älter gehalten.

Ich habe jede Menge Tipps. Welchen willst du denn? Ich meine, welcher Art soll der Tipp denn sein? Wenn du jemanden suchst, der dir vorliest, also ein einem zeitlichen Sinne, dann schau dir die Texte von Elmar Krekeler an. Ansonsten lies das Blog vom Anfang her. Der beste Tipp für dieses Buch, und auch der beste, wie man sich Büchern überhaupt nähert: einfach lesen! Weiterlesen! Immer weiter! Alles andere ist nämlich die Aufgabe des Autors.

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klausi

14. November, 2009 um 13:31

wer das buch gelesen hat, ist danach nicht mehr derselbe.

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Spaddl

14. November, 2009 um 13:58

Also mir hat bei der „Bewältigung“ des Buches dieser Blog ungemein geholfen..
Zum Rekapitulieren und sich nochmal verinnerlichen ist er wirklich fantastisch!

Also Wie Aléa sagte: Bis zur ersten Seite des Blogs zurück und ab geht die Post!

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Aléa Torik

14. November, 2009 um 14:21

Hallo Klausi,

wenn er nicht mehr derselbe ist, wer ist er denn dann?

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alice

14. November, 2009 um 16:32

Lieber Herr Krekeler,

Sie sind der getreue Chronist. Sie lassen weder die Protagonisten noch die Leser im Stich. Sie bauen mir einen Pfad im apokalyptischen Dschungel, Ihrem ruhigen und besonnenen Schritt kann ich folgen. Bei Ihnen gibt es Wein und Brot und schöne Ausblicke. Sie verteidigen das Glück – so entsteht Hoffnung.

SPERO LUCEM – Nach der Dunkelheit erhoffe ich Licht (Hiob 17,12)

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platero y yo

14. November, 2009 um 18:10

Den Wein scheint Herr Krekeler seit einiger Zeit wie die Wiener in einem Lied Wolfgang Ambros‘ storniert zu haben:

http://www.youtube.com/watch?v=FJSy3a6YwEo

„der Rausch unser Schicksal, im Rausch samma z’Haus“

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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