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13.30. Über Schalsingen. Der Sommer endet hier. Picknick in den Obstgärten mit Blick auf die Vogesen. Blauer Himmel. Duft von sanft faulenden Birnen. 20, in Worten: Zwanzig Grad in der Sonne. Leiser Wind aus der Provence. Ein leichter Gut… Jetzt hör ich aber auf. In Berlin blasen schließlich alle Trübsal, die ich kenne. Falls jemand übrigens wandern will mit dem Spaß: Er passt auch ins Fach eines Kindertragerucksack. Führt allerdings im Zusammenwirken mit einem kleinen Zwölfkilomann zu üblen roten Streifen auf den Schultern.
Wie komm ich von diesem bukolischen Mittag in die emotionale Kälte von Orin Incandenza? Am besten ansatzlos. Orin liegt mit dem halbschweizer Handmodell, einer fremdgängigen Mutter, im Hotelbett und quält sich maschinell durch die postkoitale Phase. Eigentlich ist der Mann frigide, wenn das Männer sein können. Lustempfangsgestörter Lustspender. „Es verschaffte ihm echte Lust, in dieser Phase den Eindruck von Zuwendung und Intimität zu vermitteln“, nur falsch halt. Echt ist da auch nix. Es klopft und Orin grinst sich eins über die Panik seines „Subjekts“. Ihm ist das wurscht. „Schweizer Hahnreie, heimlichtuerische Gesundheitsattachés aus dem Nahen Osten, mollige Zeitungsjournalistinnen: Er war auf alels gefasst.“ Wie kommt der auf den Gesundheitsattaché? Das ist unter DFWs normalem Niveau. Das Gespräch, das Orin dann mit dem Rollstuhlfahrer hat, der vor der Tür steht und eine Umfrage zu machen vorgibt, während sein Schweizsubjekt versteckt unter der Bettdecke um Luft ringt, ist allerdings nobelpreisverdächtig. Abgefahren (ist das jetzt schon minderheitenophob?).
Hätte ruhig länger sein können. DFW sperrt uns schnell wieder in Ennet House ein. Zu Gately. Wir sehen ihn beim allnächtlichen Beschließen zu. Die Frage, warum das so elend lang dauert, bis die Nacht tatsächlich über das Drogistenseelensilo hereinfällt, muss noch, habs gerade nachgeschlagen, dreißig Seiten auf Beantwortung warten. Irgendwas Finsteres bereitet sich vor. Im Moment allerdings erzählt DFW von einer finsteren Abzocke, auf die auch das Berliner Ordnungsamt hätte kommen können. Vielleicht sollte ich das nicht zu laut schreiben. In Boston, selbst in der Sponsorenzeit noch arm und nicht sehr sexy, dürfen Autos nur auf jeweils einer Straßenseite parken. Und die Straßenseite wechselt punkt 0.00 Uhr. Und punktum 0.01 fallen Streifenwagen und Abschleppdienste über ihre Beute her. Was für Gately bedeutet, dass er die motorisierten seiner sackflöhigen Insassen auf die Straße scheuchen muss.
Viel Spaß. Muss jetzt Schluss machen. Der Zwölfkilomann stolpert, blutigrot vor Marmelade um den Mund, auf meinen Spaß zu, bewaffnet mit Wachsmalstift. „Maln! MAHLN!“ In Bücher malen, darf aber nur ich. Quod licet jovy, non licet… Jetzt red ich schon wie Vatern, furchtbar.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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