11. September

12. September 2009 |

55 Grad. Holzbänke. Zwei Handtücher. Fünf Blatt Papier. Ein Kugelschreiber. Jaja. Sauna. Nach einem irren System wechselt die Lichtfarbe. Wenigstens spielen sie keine Musik. Dieses esoterische Gutmenschengedudel. Und es riecht auch nicht nach exotischen Kräutern. Hier hab ich die nächste halbe Stunde Ruhe. Kein Getränk.
In der Psycho-Sprechstunde bricht aus den Patienten heraus. In beeindruckenden Schleifen reden die. Irre und hellsichtig. Und immer entschuldigen sie sich erst einmal. Und wieder sind unheilbare Drogensüchtige, eklige Menschmonster, gigantische Ungeziefer unterwegs.
Ein zartes Rosa flammt über die Bänke. Absolut aushaltbar. Es tröpfelt.
Es kann, das lernt man gleich wieder, allerdings immer noch irrer werden. Willkomen im Studio für Madame Psychosis Radiosendung „Das waren die Legenden von einst“. Ein Vatermordformat, Studenten ziehen sich die Rolle ihres Vaters über und lassen ihn im Idiom einer möglichst dusseligen Zeichentrickfigur reden lassen. Kathartisch wirkt das. Läuft zur Geisterstunde. Madame Psychosis. Das eine Art Crossmedialdressversion von DFW. Die treibt allerlei Unsinn über den Äther. Ihre Monologe wirken gleichzeitig frei assoziiert und komplex strukturiert, Alpträumen nicht unähnlich. Im Voraus lässt sich nie sagen, worum es am jeweiligen Abend gehen wird.
Jetzt gibt’s hier nur noch eine Funzel. Mehr lesen geht nicht.
Deswegen mal wieder was Grundsätzliches. Schon bei vielen amerikanischen Landschaftsliteraturmalern geht es einem regelmäßig an die Nerven, wenn da Pflanzen und Tiere zur Erzeugung von Kolorit aufgezählt werden, von denen selbst der gebildete Mitteleuropäer keine Ahnung hat, wie sie aussehen oder riechen. Das gibt einem das solide Gefühl, blöde zu sein, und trägt zur Ausmalung von Handlungshintergründen nichts bei. DFW ist auch nicht besser. Nehmen wir laryngeal. Das Studio von Madame Psychosis ist laryngeal, laryngealförmig. Schönes Wort. Aber um zu wissen, was es meint, wie das Studio aussieht, müsste ich wissen, was es heißt. Ich weiß es nicht. Muss ich wieder zum Brockhaus. Dunkel dämmert mir noch was aus dem Echoraum meiner Medizinerkindheit. Jetzt weiß ichs: Kehlkopf. Das hilft doch. Warum steht das dann nicht da? Ist das egal, weil sich auch keiner ein kehlkopfförmiges Studio vorstellen kann. Entlassen wir Madame Psychosis in die Dunkelheit und uns selbst ins Eiswasserbecken.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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