15. September

16. September 2009 |

Willkommen in Ken Keseys buntem Bus durch Neukölln. Auf den schreibekifftbunten Buspolstern von gestern unterwegs ans Wasser. Wieder in blau. Wunderknabe Daniel Fray gleitet wie auf Skiern durch Bachs Klavierkonzerte. Noch ein Tag bis zur Shortlist. Kanns gar nicht abwarten. Endlich zurück bei Joelle van Dyne im Käfig ihres Ich.
Hier schießen auf einmal die Fäden zusammen und durcheinander. Joelle van Dyne hat vor der Kamera von Jim Incandenza gestanden, dem berühmten Filmregisseur. Er lieferte den Käfig (s. erste Fußnotenlesung von Wochen). Am Spaß sind sie zugrundegegangen. An zuviel Spaß. Einem Film. Seinem letzten Film (der hieß doch aber laut Filmografie „Unendlicher Spaß“, muss daheim im Buch nachsehen). Er hat sich umgebracht über den Endarbeiten. Sie muss die Machtlosigkeit gegenüber dem Käfig eingestehen. Und kommt von der Droge nicht los.
Hier ist DFW dann wieder ein Zettel hineingeraten vom Materialstapel. Aber der erklärt erstens, dass sich hinter O. N. A. N. nicht etwa ein kanadischer Club der Masturbationsfreunde verbirgt. Sondern die „Organization of North American Nations“. Vor allem listet er die zur Steigerung des Steueraufkommens verhökerten Jahre auf vom Jahr des Whoppers (Jahr 1) bis zum Jahr des Glad-Müllsacks (Jahr 9).
Joelle, crackundallesmöglichesüchtig und extremsuizidal, war Muse von Jim Incandenza (den sie bei sich, wenn sie bei sich war, Unendlicher Jim (!) nannte) und Orin Incandenzas Geliebte und sie ist Madame Psychosis! Sie stolpert einer Party entgegen auf klockernden Cloggs, über so hübsche DFW-Erfindungen wie „Die Liga der Absolut Rüde Verunstalteten“ (anno „1940 v. Sz in London, Großbritannien, von der schielenden, hasenschartigen und wüst karbunkulierten Frau“ eines jungen britischen Parlamentariers gegründet) und einer eher seltsamen Liste mit dem „angeblichen Curriculum vitae“ der Hellen P. Steeply (war das die Transe aus der Wüste?), 36 Jahre alt, 1,93 groß und 104 Kilo schwer. Noch mehr Aufklärung: Jim Incandenza hat sein gigantisches Opus magnum für so gefährlich gehalten, dass er sagte, er habe es wegsperren müssen. Womit wir bei der gefährlichen Filmpatrone wären, die vor gefühlt auch schon fünf Wochen in diesem Roman etlichen Menschen den Verstand und vielleicht das Leben gekostet hat. Die Party liest sich als hätten an ihrer Ausarbeitung David Lynch und Stanley Kubrick und ein paar schlechte Drogen mitgewirkt. Joelle trägt auf ihrer „Allerletzten Party“ Schleier (hoffentlich nicht, weil ich hier durch Neukölln rolle), eine Frau ist wahnsinnig stolz auf ihre Brüste. Und das Schlimmste zum Schluss: auch im O.N.A.N.-Zeitalter wird auf Intellektuellen-Partys nur breiter Quark gequakt. Gott, graut mir wieder vor der Buchmesse.

1 Kommentar zu 15. September

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sinedi

18. September, 2009 um 07:23

Lieber Herr Krekeler, Sie mühen sich ja nun so fleißig mit Ihrem US-Tagebuch. Meist nutzen Sie ja die Zeit im Interciy von X nach Y mal just auf den Laptop zu kloppen – um so auch Ihre „versprochenen“ – (und von Kiwi eigentlich auch „bezahlten“ ???) – 16 Seiten täglich zu absolvieren und zu kommentieren.

Wir alle bekommen so einen Eindruck und Sie offenbaren uns allen somit fast ein minutiöses Persönlichkeitsprofil vom hektischen Leben eines vielbeschäftigten und vielgefragten deutschen Autors – dass es schon so seine Lust aber auch Obsession hat (wenn so etwas angeblich der Roman selbst schon nicht bietet…), jeden Tag auf Ihre Zeilen zu warten.(falls Sie in irgendeiner „Rasterfahndung“ fälschlicherweise hineingeraten sein sollten, werden die Fahnder für diese profilierten Hinweise äußerst dankbar sein …)

Um bei diesem ganzen Gewusel von Charakteren und Geschehnissen und Buch- und Privatterminen wenigstens einigermaßen auf dem Laufenden zu bleiben, hier ein kleiner Tipp – für Sie – aber auch für alle anderen „Blog-User“ (manufactorer or costumer):

Unter dem durchaus naheliegenden Stichwort „Infinite Jest“ findet man bei „WIKIPEDIA, the free encyclopedia“ (http://en.wikipedia.org/wiki/Infinite_Jest) auf english eine ausführliche Seite, deren Inhaltsangabe ich mir (weil des Anglo-Amerikanischen nicht ganz so mächtig) mittels der Google-Toolbar und ihrer eingebauten Übersetzungsmaschine auf einen Click ins Deutsche hab übertragen lassen, (wie den gesamten Eintrag auch):

Inhalt
[hide]

* 1 Titel 1 Titel
* 2 Setting 2 Einstellung
* 3 Characters 3 Charaktere
o 3.1 The Incandenza family 3.1 Die Familie Incandenza
o 3.2 The Enfield Tennis Academy 3.2 Die Enfield Tennis Academy
o 3.3 The Ennet House Drug and Alcohol Recovery House 3.3 Der ENNET House Drug and Alcohol Recovery House
o 3.4 Les Assassins des Fauteuils Rollents 3,4 Les Assassins des Fauteuils Rollents
o 3.5 Other characters 3.5 Andere Charaktere
* 4 Plot 4 Grundstück
* 5 Subsidized Time 5 Subventionierte Time
* 6 Location 6 Lage
* 7 Stylistic elements 7 Stilelemente
* 8 Sources 8 Quellen
o 8.1 Surveys 8,1 Surveys
o 8.2 In-depth studies 8.2 Im Vertiefungsstudium
o 8.3 Interviews 8,3 Interviews
* 9 References 9 Referenzen
* 10 External links 10 Weblinks

Ich muss ja auch zugeben, solch eine Übersetzungsmaschine kreiert schon putzige Zusammenhänge (Plot = Grundstück) – aber insgesamt verdient die Aufzählung
„3 Characters – 3 Charaktere“
eventuell Ihre und unsere besonders geschätzte volle Aufmerksamkeit, listet sie doch all die „Mme Psychosis'“ und Avrils und Pemulis und Kate Gomperts, und Ken Erdedy usw usf. auf (ohne Anspruch der Vollständigkeit) und man kann so flugs mal zuordnen – oder aber auch schon herauslesen, was mit dem armen Teufel ggf. noch passieren wird – und weshalb welche Andeutung im Text vielleicht schon früh schon da hingehören.

Mangels einer gleichartigen KiWi-Verlegerleistung habe ich mir diesen deutsch-generierten WIKIPEDIA-Eintrag ausgedruckt griffbereit auf meinen Schreibtisch deponiert – und kann so immer mal nachschlagen, um wen es sich im Moment grade handelt.

Sie können sich das ja zum Beispiel als „Favorit“ auf Ihren Laptop legen oder auch einen Ausdruck bei sich tragen – und schon haben Sie einen echten Freund und Begleiter auf Ihrer Tour durch den DFW-US-Dschungel …

Wie gesagt – nur mal so als Tipp und Anregung von einem nichtprofessionellen Leser … – und Mitverwirrten – aber glücklicherweise sitz ich gemütlich im Sessel oder am Schreibtisch – und nicht im ICE von X nach Y – in dunkler Nacht – bei einer Dose „Red Bull“ und der 5. Symphonie im Ohr, um nicht über die Lektüre einzunickern …

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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