22. Oktober

24. Oktober 2009 |

20.15. Fencheltee. Zwieback. Kein Wort mehr über den Virus. Es gibt ihn noch. Heute spielt Herta (verdammt, da ist mir die transsylvanische Verwandte dazwischen gekommen), Hertha natürlich. Die spielt seit Monaten, als hätte sie gleich zwei Seuchen. Die Koffer sind gepackt. Morgen früh vor Tau und Tag geht’s weg in den Süden. Fürs Handgepäck gibt’s kein Gewichtslimit. Was schon wichtig ist für Menschen, die mit dem Spaß verreisen. Ich weiß übrigens nicht, was alle haben. So schlimm ist der Umgang mit DEM Buch nun wieder auch nicht. Ich hab nichts gegen gerade Buchrücken. Es ist mir noch nie auf die Füße gefallen. Es ist ein bisschen angeschmuddelt vorne, aber sonst intakt. Und das, obwohl es nun wirklich sehr weit gereist ist. Es ist schwer, sicher, aber daran, dass ich einen leichten Haltungsschaden und einen steifen Nacken hab seit Wochen, hat der Spaß nur halb schuld. Den Laptop muss ich ja auch überall hin schleppen.
Der Ausflug ins elterliche Schlafzimmer von Familie Incandenza ist also beendet (mitsamt der höchst interessanten Überlegungen Jim I.s über rechtwinklige diedrische Dreiecke, die mich nicht sehr interessierten, obwohl ich wenigstens für Geometrie halbswegs ordentliche Noten bekommen hab). Es gab allerdings, das hab ich gestern vergessen noch einen recht heftigen Unfall am quietschenden Bett. Eine Hochintensitätsstehlampe wurde von Jim I. umgerissen, löste eine Kettenreaktion aus und führte unter anderem dazu, dass ein Messingtürschrankknopf einen ebenfalls verunfallten Sechskantbolzen umrundete, und zwar „auf einer sphärischen Umlaufbahn, wobei er zwei vollkommen kreisfürmige Rollkurven auf zwei verschiedenen Achsen beschrieb, ein nicht-euklidisches Gebilde auf einer planaren Fläche, d. h. eine Zykloide auf einer Sphäre…“ Dazu gibt’s noch ein schickes Bildchen. Wenn Erzähler zuviel wissen.
In Ennet House haben wir heute das Thema Marihuana und wie es der Menschen Seele aushöhlt. Kate Gompert, die schwärzestdepressive Figur der Literaturgeschichte, und der sagenhafte Marihuanaverbraucher Ken Erdedy sind dabei. Ein Neuling, Tony Roy oder Roy Tony (irgendwie mein ich, dass der schon mal da war) entwickelt einen heftigen Widerwillen gegen die Umarmerei in Drogenselbsthilfekreisen (sehr verständlich: Zwangsumarmungen gerade in sozialen und kirchlichen Zusammenhängen sollte sowieso schon lang unter Strafe stehen).
Marathe und Steeply erzählen sich was von der Wirkung allein schon von Kopien aus Beständen der Unterhaltung. Da kann einem schon mal der Verstand wegschmelzen. „Als wäre seine Welt zu einem kleinen hellen Punkt implodiert. Innenwelt. Uns nicht zugänglich.“
Noch ein Erzählfaden. Und er ist blau. Wir sind bei Hal. Und jetzt wird uns erzählt, was alles blau ist im Raum. Hals Zimmer möglicherweise. Es soll ja schon Doktorarbeiten zur Bedeutung der Farbe Blau im Spaß geben. Womit sich die Menschen alles beschäftigen. Wir lernen aber auch neues vom sexuellen Missbrauch in der E.T.A., die wir schon geahnt haben (welches Internat zumindest der Literaturgeschichte kommt ohne aus, Hogwarts, okay, aber das ist ja auch Harry Potter). Und dass Hal nicht das einzige Superbrain im Tenniscamp ist. Axhandle nämlich „wiederholt einen mnemonischen Limerick über den Brewster-Winkel für das von Leith geleitete quadriviale Kolloquium mit dem Titel ,Reflektionen über Refraktionen.“ Die Farbe blau spingst in alle Sätze. Michael Pemulis geistert und grantelt herum. Und es begegnet uns ein Tennisspieler, der Jim Courier, dem Bolzenschussgerät für das elegante Tennis, doch sehr ähnlich sieht.
Ein bisschen zäh, der Spaß im Moment. Nichts natürlich im Vergleich zur Hertha. Bevor ich mir jetzt aber wieder aufrege, schnell Koffer zu, Spaß in die Tasche. Gute Nacht.

5 Kommentare zu 22. Oktober

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Aléa Torik

24. Oktober, 2009 um 23:53

Transsilvanien (lat. trans silva – jenseits des Waldes). Im Rumänischen heißt dieses Gebiet Ardeal. Transsilvanien bezeichnet die südlichen Karpaten, das heutige Siebenbürgen. Der oder das Banat, wo Herta Müller herkommt, liegt hingegen im nördlichen Teil Rumäniens.

In Siebenbürgen findet sich auch die Burg Bran, in Wojwode, der Walachei, die seit Bram Stokers Roman „Graf Dracula“ (der Mann hieß in Wirklichkeit aber Vlad Drăculea, oder auch Drakovich, mit dem Beinamen Ţepeş, das rumänische Wort für Pfählung, das rumänische Wort für Teufel ist Drac) eine recht blutrünstige Geschichte hat und inzwischen eine regelrechte touristische Attraktion ist. Die Besucher können wählen zwischen Eintrittsgeld mit oder ohne Biss (das ist ein Scherz!).

Ich bin in Geografie auch keine Leuchte und kann Heidelberg kaum von Hildesheim unterscheiden. Obwohl ich inzwischen eine Nachhilfekurs bekommen habe. Und den gebe ich Ihnen hiermit auch. Sagen Sie nie zu Herta Müller sie käme aus Transsilvanien! Das wäre so, als wenn Sie einem Preußen sagen er käme aus Bayern.

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René Hamann

25. Oktober, 2009 um 11:27

„Kate Gompert, die schwärzestdepressive Figur der Literaturgeschichte“, nein, nein, auf gar keinen Fall. Bitte mal „The Bell Jar“, deutsch „Die Glasglocke“ lesen, von Sylvia Plath. Auch um andere Relationen in Bezug zu DFW und dem US wieder hinzubekommen. Schaden kanns jedenfalls nicht.

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Iffland

25. Oktober, 2009 um 12:08

Schlecht geschlafen, Eltern zu Besuch, Übelstes geträumt. Mein Regisseur verlangte von mir öffentlich DFW zu lesen. Nicht aus US, ein Essay oder eine Erzählung, gedruckt auf verschiedene Puppen und Stofftiere. Hinter einem Gazevorhang die versammelte Kritikerschaft + Publikum. Nach jedem gelesenen Abschnitt die Tiere und Puppen durch den Vorhang geschleudert, wahllos den nächsten geschnappt und weiter gelesen (ziemlich schlecht, weil nicht vorbereitet), eine Tortur die sich zog. Klar, das Schlafsofa hatte eine Mitschuld und frühmorgendlicher Harndrang und natürlich Fußnote 269 , Fußnote 269!
Marlon K. Bains Antwort auf Steepleys Fragen. Die Charakterisierung Orins, seine „interessegeleitete Ehrlichkeit“, das Konsumieren einer wahrnehmungsbeeinträchtigenden Substanz, das aus S. Johnson einen Knubbel macht und Orin zu einer meisterhaft schlechten Lüge verleitet. Die Gedanken zum Missbrauch und Avril Incadenza, die Übermutter! Ich weiss nicht mehr, wer auf die Mütter in US hingewiesen hat (Lenz´ und Greens Mutter waren gerade ja noch dran), aber Avril, Avril!! Ganz klar meine Lieblingsfußnote und für mich Wallace´ eigentliche Meisterschaft, die feine psychologische Beobachtung, die aus den unglaublich guten Storys. Aber auch der Unendliche Spass wird, nachdem ich nach dem ersten Drittel noch nicht so begeistert war, immer stärker, mitreißender.
So, also nun auch von mir das verstärkt verlangte Geschwurbel. Mit einem herzlichen Gruß an alle Mitschwurbler und meine Mutter

Iffland

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Aléa Torik

25. Oktober, 2009 um 19:47

Sagen Sie mal bitte Herr Iffland, sehe ich das richtig, dass Sie hier Ihre Mutter grüßen?

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Iffland

25. Oktober, 2009 um 21:04

Liebe Aléa Torik,
darf ich das etwa nicht? Allerdings war das eher als kleiner Scherz gemeint, denn noch habe ich meine Mutter nicht dazu überreden können sich mit dieser Seite auseinander zu setzen. Es ging schließlich in meinem kleinen Beitrag auch um Mütter und im Besonderen um Orins Verhältnis zu seiner Mutter, das eben durch Fußnote 269 etwas erhellt wird und da dachte ich, ich könnte… Ich höre die Freudianer schon jubeln und fürchte schon einen Kommentar des Chef-Analytikers. Oje…

Mit besten Grüßen

König Iffland

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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