26. August

27. August 2009 |

Überm See. Es regnet. Es rauscht. Es ist 20.36 Uhr. Ein Glas Gelben Muskatellers (wir sind in Österreich, übrigens, da gibt es diesen potenziell herrlichen Wein noch. Der 2008er vom Weingut Gross ist herrlich). Keine Musik. Hinten links fällt ein Wasserfall ziemlich laut. Das reicht.
Hab ich schon erwähnt, dass Lesen aus Fahnen furchtbar ist? Sie fluseln herum. Sie wellen sich. Man verliert den Überblick. Der Kniebankstapel vom unendlichen Spaß sieht schon jetzt sehr unspaßig aus.
DIE Zeitung kolportierte gerade die Forderung von Politikern nach ökologischem Haschisch. Toller Plan, kommt für unsern Typen mit dem seltsam ungarischen Namen aber zu spät. Der wartet weiter auf Marihuana und hat ein seltsames Insekt im Regal. Diesen Abschnitt sollte man unbedingt Schülern zu lesen geben, die immer noch denken, so ein bisschen kiffen könne ja nicht schaden. Kann es doch. Wobei unser Typ schon ein harter Kiffer ist. Er denkt in Schleifen, kann sich für ungefähr zwei Sekunden auf etwas zu konzentrieren. Mit seinem Kiffurlaub, so nennt er sein Abtauchen ins ganz harte Kiffen, versucht er sich, das Kiffen abzugewöhnen. Entzug durch Rausch bis zum Erbrechen sozusagen. Kann nicht gut gehen. Zwischendurch überlegt er sich, ob er sich einen runterholen soll oder sich die Patronen seines Teleputers (was immer das wieder für ein Gerät sein soll) reinziehen. Wir erfahren seine Probleme mit Frauen. Und was das Dope so in seinem Gesicht anrichtet. Die aktuelle Marihuana-Besorgerin hat er bei einem Arbeitskreis für ein Wedekind-Festival kennengelernt, was eigentlich schon absurd genug ist. Er ist ein rechtes Schwein. Aber ein armes. Am Ende klingelt das Telefon und die Tür gleichzeitig. Und dann kommt wieder so eine unfassbare DFW-Stelle. Er „stand mit gespreizten Beinen da, ruderte wie wild mit den Armen, als wäre ihm etwas zugeworfen worden, breitbeinig, lebendig begraben zwischen den beiden Geräuschen, den Kopf völlig leer“. Fabelhaft, finster und unendlich traurig. Muss man sich diesen Roman eigentlich als Sammlung genialer Kurzgeschichten begreifen?
Wir blättern um und sind im „1. April – Jahr des Tucks-Hämorrhoiden-Salbentuchs“. Neues Rätsel. Altes Personal. Hal, diesmal zehn Jahre alt. Eine Kurzgeschichte in Dialogform. Und was für eine. Hal ist beim, ja, wie nennt man das, Konversierer, beim professionellen Konversationalisten. Sein Vater hat ihn hin geschickt. Der Dialog wird zum Krieg. Der Konversationalist verstrickt sich in komische Verschwörungstheorien. Hal redet ihn um Kopf und Kragen. Dem Konversationalisten geht bei dem ganzen Gerede das augenscheinlich künstliche Gesicht flöten. Dann entdeckt Hal, dass der Konversationalist einen Spezial-Argyle-Pullunder trägt, den nur sein Vater („Er Selbst“ genannt) nur fürs Festmahl zum Interdependenztag trägt. Die sind alle komplett gaga. Verrückt, verzweifelt, aus der Bahn geschossen. Am Ende werd ich das wohl auch sein. Wenn das so weiter geht. Bevor es so weiter, das „Jahr der Inkontinenz-Untewäsche“ wieder losgeht und meine Batterie hier ihren Geist aufgibt – gute Nacht.

3 Kommentare zu 26. August

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Roadrunner

27. August, 2009 um 11:37

Ach, Herr Krekeler. Machen sie hier nicht den Moralischen, während Sie (selbstverständlich sehr gepflegt, wie ich annehme) einen Muskateller nach dem anderen vernichten. Erstens kommt noch mehr, was sie, Marihuana betreffend, Schülern mit auf den so genannten Weg geben können – S. 99-114 – und zweitens sei auch vermerkt, dass Wallace bei aller Schonungslosigkeit der erhobene Zeigefinger ziemlich fremd ist. Denn „wenn die Grundverkabelung in Ordnung ist, kann dieser ewig gleiche Zyklus durch die gesamte Adoleszenz und manchmal bis in die frühen Zwanziger hinein erstaunlich gut funktionieren, bevor sich die ersten Altersbeschwerden bemerkbar machen.“ (78)

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Guido Graf

27. August, 2009 um 11:54

Adoleszenz

was ich allerdings nicht unbedingt als Entwarnung ansehen würde…

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Roadrunner

27. August, 2009 um 12:02

@Guido Graf: Entwarnung sicher nicht. Aber auch kein Generalverdikt. Denn es gibt explizit den „Großteil“, bei dem es sich „um guten, sauberen und befristeten Spaß [!]“ handelt (77).

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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