26. Oktober

1. November 2009 |

17.30. Burg Baden. Übers Rheintal fällt der Dunst herein wie eine der Ado-Gardinen von früher. Die Lichter der französischen Chemiefabrik direkt hinter Grenze beginnen orange zu flackern. Und am Horizont geht allmählich die Sonne unter, leuchtet wie Saurons böses Auge über die Berge.
Mr. Dooney R. Glynn erzählt gerade, dass er im Jahr des Herrn, pardon, im Jahr vor der Sponsorenzeit 1989 sich eine etwas übertriebene Menge einer Droge reingepfiffen habe, die er nur „die Madame“ nannte. Als Folge habe er, sagt er, mehrere Wochen lang unter einem Bostoner Himmel gelebt, der keine sanftgekümmte blaue Kuppel mit Schäfchenwolken, Sternen und Sonnen mehr war, sondern ein flaches, rechteckiges, kaltes euklidisches Raster mit schwarzen Achsen und eienm fadenfeinen Linienréseau“. Dafür zu wissen, was ein Linienréseau ist, bin ich wieder zu doof. Was mich aber viel mehr reizen würde, als die Lektüre der Doktorarbeit über das Blau im Spaß, wäre eine Arbeit über den Himmel im Wallace’schen Gesamtwerk. Meine Einstiegsdroge war jedenfalls die Formulierung „ein Himmel wie Hirnmasse“ am Anfang von „Kleines Mädchen mit komischen Haaren“ (dessen Setting mit den verlassenen Kindern auf der Kuhweide mich fatal an einen Shortlistroman dieses Jahres erinnert).
Glynn, stellt sich übrigens raus, muss wohl der fatale Arbeiter gewesen sein, dem gleich am Anfang die Ladung Ziegel durch unglaubliche Blödheit seinerseits auf den Schädel geplumpst ist. Er soll, steht da, derart geschielt haben, „der konnte mitten in der Woche stehen und beide Sonntage sehen“. Herrlich.
Bewiesen ist jetzt auch – schnell noch, bevors hier zu dunkel und zu kalt wird – dass der Kollege Blumenbach und Walter Moers geistesverwandt sind. Es geht wieder einmal um Drogentests und darum, wie man sie umgehen, fälschen kann. Es könne jeder einen E. M. I. T.-Urintest finkeln. Leitet sich wohl von fingieren ab. Finkeln kenn ich aber als Tunwort vor allem aus den Gimpelgesetzen. Die wiederum finden sich in den „13 ½ Leben des Kapitän Blaubär“, weswegen wir kurz das darin sich befindende „Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung“ von Professor Abdul Nachtigaller zitieren. Unter „Gimpelgesetze, die“ findet sich unter Punkt 9: „Du sollst nicht rückwärts finkeln!“ (und unter 10: Du sollst nicht vorwärts finkeln!). Kein Mensch weiß übrigens und auch kein Gimpel, was finkeln ist. Man muss es halt nur lassen.
Punkt 12 heißt übrigens: Du sollst nach der Stadt mit dem Namen Anagrom Ataf gehen, und wenn du sie gefunden hast, sollst du sie fangen und zu deiner Heimstatt machen für immerdar! Da geh ich jetzt hin. Sieht mir inzwischen sowieso alles sehr nach Fata Morgana aus hier.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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