„Der Tanz mit dem Text“ ist als Metapher, als Sprach-Bild, ein Zitat, das mir in dem (im Oktober erscheinenden) Buch von Maryanne Wolf, »Das lesende Gehirn«, aufgefallen ist und – das als Bild in mir präsent geblieben ist.
Denn damit kommt etwas auf den Punkt, worüber ich seit den ersten Seiten des Lesens, der Lektüre, des (Nach-)Denkens beim Lesen, des (Nach-)Fühlens beim Lesen, … von US sinne. Das Buch bewegt sich von Beginn an – und gerade von Beginn an, mit Hals Feststellung „Ich bin hier drin“ – in der dialektischen Ambivalenz eines komplexen Zusammen-Spiels von Körper, Körperlichkeit und Geist. Es ist ein »Tanz«. Fraglos. Ein Tanz mit einer subtilen Choreographie, die sich nicht erschließt, solange man die Handlungsebenen voneinander trennt, trennen muss, um sie überhaupt wahrnehmen zu können. An diesem Punkt macht der Tanz uns atemlos, erfordert ein (Ausdauer-)Training; er provoziert und schockiert uns und manches Mal stellen wir fest, dass wir aus der Choreographie gefallen sind und – wir hoffen vielleicht auf Erlösung. Wie Hamlet. Dennoch lassen wir uns darauf ein. Aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Motivationen.
Noch etwa scheint mir wesentlich. Der Tanz ist nicht codierbar, seine »condition humaine« ist immer individuell und subjektzentriert in diesem Zusammen-Spiel von Körperlichkeit und geist-seelischer Verfassung. Und er ist angewiesen auf das Mit- oder Gegeneinander von Tänzer/Handlungsfigur/(Autor?) und Zuschauer/Leser.
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Exkurs …:
Hanno Millesi hat es gerade nachdrücklich formuliert in der scheinbaren Korrelation von Texterfahrung und eigener Körperlichkeit. Und an dieser Stelle bleibt vielleicht sogar offen, was Krankheit, was krank ist und was, mit Nietzsche, eine „Große Gesundheit“ auslöst. In den Lesebeschreibungen von Elmar Krekeler ist es ein ganz selbstverständliches, wie es scheint, beinahe unbewusstes Element: „Gehtsokaffeemitmilch“, „Vitalgetränk“, „Tee mit Milch“ und erwähnenswert „Kein Getränk“.
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»Der Tanz mit dem Text« entfaltet für mich das Portfolio von Referenzen, die das subtile Netz des Textes bilden und gleichzeitig deutlich machen, dass DFW mit US die Negation des euklidischen Standpunktes für die (Post-)Moderne produktiv gemacht hat. Viele Elemente spielen hier hinein. Da ist die Frage des Spiels, des Sprachspiels und mit Wittgenstein die Idee des Sprachspiels als Sprach-Manipulation. Die (moderne) Manipulation am »Ende der großen Erzählungen« Lyotards argumentiert DFW konsequent zu einem neuen Beginn in der parallelen Paradoxale, die Joelle van Dyne in den „Käfig“ führt, an dessen Eingang Ausgang steht, in dem sie „schleierlos und garnhaarig geweint [hatte], wie ein grotesker Clown, in allen vier Spiegeln an den Wänden ihres Zimmers“, und die gleichzeitig das Eschaton-Spiel inszeniert, bei dem die „Rolle Gottes nie sonderlich beliebt“ ist und bei dem die Frage nach der gültigen (manipulierten) Realität des Subjekts aufgelöst wird in der Feststellung – „Spieler sind nicht innerhalb des Scheißspiels. Spieler sind Teil des Spielapparats. Sie sind Teil der Karte.“ Wer sind die Spieler? Wir? Die Leser? Wessen Realität ist hier aufgelöst worden?
Die Frage nach der schon mehrfach postulierten Hyperrealität schließt sich an, die nah an Baudrillards Simulakren operiert. Weit vor Baudrillard – aber vielleicht für die Frage des Post-/Moderne-Diskurses fruchtbarer – liegt das Postulat einer »Tradition des Irregulären« von Gustav René Hocke. Der Sprache eignet in diesem ästhetisch-lebensweltlichen Konzept eine komplexe Dynamik. Die Formstruktur des Sprachlabyrinths, die Kombinatorik und eine an Paralogismen ausgerichtete Metaphorik bedingen eine spezifische Beweglichkeit und eine Eigendynamik der Sprache, die nicht mehr als homogen gefügtes Ganzes wahrgenommen wird, sondern die sich über die Mehrschichtigkeit des einzelnen sprachlichen Elements – Satz, Wort, Buchstabe – definiert. Und, um den Bogen zurück zur Frage des Hyperrealismus zu schlagen, nicht weit davon entfernt liegt der „Sür-Realismus“ Walter Benjamins, der mit dieser sehr bewusst gesetzten Akzentuierung des Umlautes nicht auf den Surrealismus als ästhetische Epochenbezeichnung abhebt, sondern damit ein Sprach-Spiel bezeichnet, mit dem der „Bereich der Dichtung von innen gesprengt“ wird. Und damit sind wir sehr nah am „Tanz“ von DFW.
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P.S. Ich bin nachträglich in die Runde eingestiegen. Einen herzlichen Gruß an dieser Stelle an alle Mitstreiter, -leser, …

Nicoletta Wojtera, Jahrgang 1971, lebt und arbeitet in Köln, Studium der Germanistik/Literaturwissenschaft und Geschichte, tätig als Studien- und Bildungsberaterin und freie Autorin. Veröffentlichung u. a. Friedrich Nietzsche und der Surrealismus, Paul Mersmann – Einführung in die A.B.C.-Bücher (IABLIS 2007).

12 Kommentare zu Der Tanz mit dem Text

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Christian Wiegold

30. September, 2009 um 11:50

Vielen Dank für diesen lange notwendigen Beitrag. Ich arbeitete selbst gerade an einer Promotion zum Thema „Körperlichkeit als textuelle Lebensform“ und überlege nun, auch DFW in einem langen Kapitel miteinzubeziehen. Von Körperlichkeit und gerade ihren Auswüchsen des Textseins, also vom getanzten Sprechen und, mit Hegel, der „anderen Gleichheit“, wurde hier leider erst viel zu wenig gesprochen. Bei Nietzsche ist bekanntlich nur derjenige gesund, der sich als Kranker gleichzeitig benennen und somit auch denken kann, der Kranke ist für Nietzsche also der „andere Gesunde“, bzw. das Gesunde ist niemals intrinsisch gesund. Diese parataktische Bewegung, sehe ich auch in vielen Zeilen von US hervorblitzen bzw. als Rhythmus eines neuartigen, pleonysischen Sprech-Denkens immer wieder als solche hervorsprudeln. Damit stellt US nicht weniger als die Frage nach der Kontexthaltigkeit von Sprache, soweit sie in ihrer linguistisch-vollständigen Gesundheit noch als Erkrankte überhaupt sprechen kann. Soweit ich dieses ambitionierte Forum ganz überblicken kann, wurde in diesem Zusammenhang auch noch nicht von dem, mir sehr bedeutsam erscheinenden fact gesprochen, daß man im Englischen auch von in jest sprechen kann, oder, wie bei Yorick, von of (infinite) jest. Darin zeigt sich ganz deutlich eine gänzlich andere Auffassung von Spaß, die im Deutschen leider so nicht wiedergegeben werden kann. Für die deutsche Sprache, und genau darin liegt eben das Thema Nietzsches, ist Spaß immer ein Äußeres, ein Gegenstand oder eine Eigenschaft, die aus meistens strategischen Erwägungen verwendet oder jemandem zugeschrieben wird. Hier hat man bloß Spaß, kann aber nicht in ihn eintauchen, kann also auch den oft so despektierlich beschriebenen fun nur pananämisch erleben. Im Englischen ist eben dageben der jest anoklytisch eine Gesamheit, in der die Figuren gänzlich verschwinden können, die also ihre Identität als solche berührt und erst damit als etwas Tödliches, oder, wie DFW bzw. Blumenbach es ausdrückt, als „Pantomorphes Klauton“ zu einer Bedrohung wird. In jest oder of jest ist somit das Gegenstück zu in space oder of time. Sprachlich wird also Identität als gänzlich anderes einer texthaften Einfassung verstanden. Oder, nach dem Filmtitel von James Incadenza: in der Grauzone. Die „Große Gesundheit“, von der Nietzsche sprach, wird also in US zu einer koprozyklischen und gleichsam mysophobischen, als Tanz aufgeführten Texttätigkeit.

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JesusJerkoff

30. September, 2009 um 21:56

Kultig, endlich mal was, das ich gar nicht verstehe.

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Clemens Setz

1. Oktober, 2009 um 09:10

@ Nicoletta Wojtera
DFW hat oft von der „brain voice“ gesprochen, in der seine Bücher angeblich geschrieben seien. Er hat dabei an einen Textsound gedacht, der sich beim Lesen im Kopf ähnlich anfühlen soll wie normale Gedanken (mit Ober- und Unterströmungen, Nebenarmen von Bedeutungen, chaotischen Anteilen etc.) und wo jede Figurenrede im Roman im Grunde eine Art Unterbrechung bedeutet bzw. eine Stimme darüber, so ähnlich wie wenn man in einem Kopfhörer jemanden reden hört und gleichzeitig an etwas anderes denkt.

Ist dieses Konzept vielleicht eine Art Zwilling der Idee des „Tanzes“, das Sie gerade umrissen haben (und das zu verstehen mir leider nicht ganz gelungen ist)?
Zugegeben, ich habe immer große Probleme mit Theorien, in denen sehr weite und große Metaphern im Mittelpunkt stehen, wie z.B. „Körper“, „Tanz“ oder auch „Atem“, „Zeichen“. Vielleicht mögen Sie mir ja die Idee noch einmal erklären, ja? Einfach, damit ich mich weniger ausgeschlossen fühle. Denn immer wenn ich ein theoretisches Konzept nicht verstehe, fühle ich mich wie der Hund, der draußen vor dem Supermarkt angebunden wird, und sein Herrchen geht währenddessen einkaufen, hält sich zwischen all den interessanten, bunten und blinkenden Baudrillards, Lyotards und Derridas auf, die in den Regalen stehen, unter denen der Hund auch so gerne herumgehen würde, es aber leider nicht kann – und deshalb zu jaulen beginnt.

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Nicoletta Wojtera

1. Oktober, 2009 um 22:39

@ Clemens Setz
Ich danke für die Nachfrage, »Herr und Hund« bilden ja, wie man weiß, ein spannendes Spiel-Gefüge.

Die Frage eines „großen“ (oder naheliegenden?) theoretischen Konzeptes, gar die Frage nach der Gültigkeit eines oder mehrerer theoretischer Konzepte (schwer zu bemessen) mag der zweite Schritt sein. Zunächst, so scheint es mir, ist es eine Frage der Einlassung. Eine Einlassung auf die verschiedenen Möglichkeitsstrukturen von Texten und die Entstehung von Büchern. So begründet sich nicht zuletzt eine (inter-)disziplinäre (Literatur–Tanz) Differenzierung, die wir, je nach Perspektive, als Literatur, Literarizität oder Literaturwissenschaft oder … bezeichnen. Mit der Idee des »Tanzes« wollte ich auf diese Möglichkeitsstrukturen des Textes hinaus; insofern stellt sich die Frage nach der Perspektivität des Betrachters respektive Lesers, und wir sind spätestens damit mitten in einem Konzept, das ich ganz sicher nicht als theoretisch apostrophieren würde: Nietzsches (wirklich „bunt“ und „blinkend“?) Perspektivität des Menschen hat Christian Wiegold durch den Rekurs auf die „Große Gesundheit“ skizziert.
Der »Tanz« ist eine Ausdrucksform, ihm eignen motorische und mentale Steuerungsmechanismen, Kreativitäten, Individualität und Subjektivität in Korrelation mit soziokulturellen Interaktionen; wesentlich ist der Tanz Trägermedium von Ritualen und Traditionen, was sicherlich im Moderne-Diskurs nicht unerheblich für die Betrachtung ist.

Entscheidet man sich für die Einlassung auf diese Möglichkeitsstrukturen, so korrespondiert dieser Einlassung eine Art Multiperspektivität im Blick auf die medialen Verfügbarkeiten im Werk. Und genau diese medialen Verfügbarkeiten in US wollte ich ansprechen, vielleicht auch die Grenzbereiche der Disziplinen herausfordern.

Körperlichkeit in der textuellen Konzeption – wie auch immer erfahren und dargestellt, genau das wäre in der Detailbetrachtung spannend – ist eine (mögliche) Form der medialen Verfügbarkeit. Und, ja, die „brain voice“ korrespondiert an dieser Stelle sicherlich der Körperlichkeit von US: to „make the poetry more alive“. Expressis verbis.

Die Körperlichkeit, der »Tanz mit dem Text«, sofern man sich auf diese Lesart einlassen möchte, lässt sich bei DFW auf mehreren Ebenen er-lesen. In US regieren körperliche (Un-)Zustände: Alkohol und Drogen in und an Körpern, die mentale Strukturen auflösen, erotische Ambivalenzen, Ekelempfindungen, eine Resistance-Bewegung, die im Rollstuhl sitzt, Körper beim Sport, ein Kopf in der Mikrowelle und – die Frage nach körperlicher Entstellung oder Schönheit in der Protagonistin Joelle. Und spätestens bei Joelle van Dyne eröffnet sich die Dimension einer möglichen »Ästhetik des Hässlichen«, die Affirmation der Negation, getragen von einer ganzen Anzahl vermeintlich theoretischer Konzepte von Karl Rosenkranz bis Friedrich Nietzsche und darüber hinaus.
Diese, nennen wir sie erste Ebene, nimmt eine zweite auf; to make poetry more alive wird die Körperlichkeit »getanzt« in Hals erster Szene, in Erdedys Drogenexzess, Joelles Selbstmordversuch im Badezimmer oder, fast eine Szene am Rande, in Hals Nagelknipsen während eines Gesprächs mit Orin, der sich vor dem Geräusch (sic) ekelt… Fortsetzung folgt.

Unschwer zu erkennen, votiere ich für die Einlassung auf den Möglichkeits-Raum der „theoretischen Konzepte“ und für die Korrespondenz möglicher Lesarten, da sie sich mir als spannendes Potenzial beim Lesen, beim lesenden Wahrnehmen von …, ja, von was eigentlich, bieten.
Ich denke nicht, dass sie bunt und blinkend im Supermarkt der medialen Verfügbarkeiten herumstehen, einzig, um das vermeintliche »Idyll« von Herr und Hund zu bedienen. Wie gesagt … .

„Ich bin´s, bin Faust, bin deines gleichen!“; der Ausruf geht mir oft durch den Kopf. „Schreckliches Gesicht“ – Es ist die unbedingte, unablässige Suche, kein Ankommen, weil die letzte Frage nach wie vor unbeantwortet bleibt und damit zu dem unbekannten, weil unmöglichen Meisterwerk Balzacs wird.

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Iffland

1. Oktober, 2009 um 10:44

Rhein-Zeitung, vom 24.7.2002:
“ Durch einen gezielten Schuss auf die rechte Schwinge wurde Christian Wiegold erster Ritter unter den Jugendschützen, auch den Schweif des Adlers schoss er ab.“

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Stephan Bender

1. Oktober, 2009 um 21:33

Also auch wenn ich offenbar die Rolle des Spielverderbers habe, der die Kirche im Dorf lassen will:
1. Wer aus welchen Gründen „getanztes Sprechen“ in den Diskurs einführen will, muss im Gegenzug dann auch „einen Tanz sprechen“ können. Das wird schwierig, und eine Analogie ist nicht nur deswegen eine Anolagie, weil man sie so bezeichnet.
2. Tanz ist nicht codierbar, der Text dagegen war schon immer codierbar.
3. Körperlichkeit hat nicht zwangsläufig etwas damit zu tun, dass man sich krank oder gesund fühlt. das weiß jeder, der schon mal Sex hatte: Es ist etwas komplizierter.
4. „Ich bin hier drin!“ kann auch eine Metapher für Autismus sein, und zwar nicht den physiologisch ererbten, sondern für sozialen Autismus, der erlernt wurde.
5. Nicht jede Krankheit ist eine Krankheit, sondern wird erst dann eine, wenn der Mensch unter seiner Veränderung leidet.
6. Niemandes Realität wird jemals aufgelöst, deswegen heißt sie ja Realität. Sie ist gewissermaßen die Hardware des Lebens.

Mir kommt es mittlerweile so vor, als ob der Humor DFWs nicht ganz verstanden wird. Wenn jemand spricht, wie er denkt, bezeichnet man das in den USA als „straight“. Wenn jemand nicht spricht wie er denkt, hat er sich seiner bürgerlichen Rolle ganz gut angepasst und er wird erfolgreich sein, aber er ist eben auch ein Lügner.

Shakespeare, Proust, Kafka, Musil und Wallace sind Autoren und keine Weltanschauungen a la „Ich weiß weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.“ Das ist etwas sehr Deutsches und wird als Melancholie bezeichnet.
„Infinite Jest“ dagegen ist dagegen die überzeichnete Realität einer möglichen Zukunft. In diese Zukunft etwas hineinzuinterpretieren ist ohne gesellschaftliche Analyse unmöglich.

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Jan Thomas

3. Oktober, 2009 um 15:26

An dieser Stelle wird auch der Monolog des Großvaters von Hal, Orin und Mario bedeutsam und dessen eindringlicher – unter Rückbezug auf Marlon Brandos Spielweise auch ambivalent zu verstehender – Verweis auf Körperlichkeit. In Verbindung mit Ihren Ausführungen erscheint mir dies ein fundamentales Motiv auch des gesamten Romans zu sein, auf das ich ohne diese wohl nicht gestoßen wäre. Danke!

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Christian Wiegold

6. Oktober, 2009 um 11:10

Zu dem Kommentar von Iffland erkläre ich: zu keiner Zeit habe ich in meinem Leben an einem Schützenfest teilgenommen. Ich danke ihnen aber für diese, in leicht ironischem Tonfalle hervorgebrachte, Bemerkung. Denn ein Schütze, der den Schweif eines Adlers abschießt, ist ja nicht direkt, nicht eindimensional und somit nicht kleinkariert auch ein guter Schütze. Der Schweif ist weg, er hat nur noch die Tonscherben in der Hand. Spaß macht eine solche Aktion sicher nicht. Wer also den Schweif abschießt, mag erfolgreich sein, dem wird von den versammelten Schützenkoluthen applaudiert werden, aber der Schweif ist dann eben auch nicht mehr da. Er wurde buchstäblich weggeschossen. (So, wie man sich vielleicht ja auch weglachen oder mit Drogen abschießen kann.) In US ist einmal vom Schweif im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum die Rede, der Adler wäre also ein Spaß, dessen spaßigen Schweif man gleichzeitig erschießt, bzw. abschießt. Also ein anti-zyklisches Spaß-, nicht Schützenfest.

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Iffland

7. Oktober, 2009 um 12:16

Lieber Christian Wiegold,

vielen Dank für diese erhellende Antwort auf meine kleine, „in leicht ironischem Tonfalle hervorgebrachte“, Einlassung. Der Inhalt Ihres Beitrages blieb mir beim ersten und zweiten Lesen fast gänzlich verschlossen und lies mich ziemlich ratlos, aber eben auch lachend zurück. Ich las das als Satire und mein – um noch einmal das Schützenmotiv zu bemühen – „Schnellschuss“ war das Zitat aus der Rhein-Zeitung. Für mich, der ich in einem Landstrich mit hoher Schützenfestdichte aufwuchs und das Treiben auf einem solchen Fest aus eigener Anschauung kenne, steigerte sich mein Vergnügen, bei dem Gedanken daran, dass Schützenbrüder Ihren Text lesen oder, schöner noch, mit ihm tanzen…

In jedem Fall lese ich Ihre Beiträge mit Freude und Gewinn und „erhellend“ ist völlig ironiefrei gemeint. Vielen Dank dafür und einen herzlichen Gruß

Iffland

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Christian Wiegold

13. Oktober, 2009 um 09:48

Komme gerade von einer Nietzsche-Tagung zurück. Wahnsinnig viel Material aufgenommen. Dort fragte mich ein Kollege, wieso der Spass in US eigentlich auf das »anderswo« zugehe und wieso sich die »große Gesundheit« nicht als solche darin darstellen lasse. Darüber musste ich ein wenig nachdenken. Ich bin übrigens mit dem Zug hin gefahren. Dann erklärte ich es mir so: die »große Gesundheit« wäre ja nichts, was sich erreichen ließe, sondern zeigt vielmehr den Zustand auf, den die Krankheit in ihrer Form noch nicht angestrebt hat. Solange jemand noch krank ist, bleibt die »Gesundheit« ein ihm fremder Geisteszustand. Er muss also seinen jetzigen »kranken« Zustand erst aufgeben, um den nächsten erreichen zu können. Lieber Iffland, ich nehmen an, dass sie mit der Bezeichnung »Satire« ähnliches meinen. Zu Recht weisen Sie dabei auf das Schützenmotiv und damit auf die große Metaphorik des »Zielens« hin. Auch ein Pfeil kann ja sein Ziel nur dann erreichen, wenn er vorgängig, also »klautisch«, den Bogen verlassen hat. So muss also die Sprache wie ein Bogen über- und gespannt werden um ihr Ziel in einer Zeit, in der nur noch sehr wenige überhaupt etwas ernst meinen, dazu zählen ich unter wenigen natürlich auch Sie, lieber Iffland, noch etwas sagen zu können. Nicoletta Wojtera hat mit Recht auf die Kleinheit des Gleichen verwiesen und dies als einen Tanz bezeichnet. Somit wäre die Frage, »darf ich bitten« auch sprachlich zu verstehen, auch als die permanent (nicht zufällig klingt hier Kafkas Herr Permaneder an) sich erneuernde, neoplastische Aufforderung, gemeinsam ein paar sprachliche Runden zu drehen, gemeinsam sprachlichen Rhythmus zu suchen, anstatt immer nur Monologe zu halten. Chapeau!

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Marcel Lange

21. Februar, 2010 um 13:20

Kann mir jemand sagen wie ich an das Zusatzmaterial zu Unendlicher Spaß rankomme?

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Guido Graf

22. Februar, 2010 um 00:40

ein Mail an den Verlag wäre einen Versuch wert

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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