Heute +100 Lektüre par force. Stand: S. 234. Grund für den Nachholbedarf:

Das Abstylen der Pennäler war mir zu zäh. Es mag vielleicht Debattierklubs in den VHS geben (Jetzt bewerben – Kurse beginnen schon im September!), wo man solche Reden serviert und beklatscht. Ich persönlich finde sie, und Hals Belehrungsstunde zuvorderst, einfach öde.

Übers Ironiemaß kann man, und wie die Jungsophisten der E.T.A. genau zu nehmen sind, sicher diskutieren. Die Texte des Romans kamen mir bisher wie Revuenummern vor; und wenn die nun einmal nicht zünden, weil bspw. das Gefasel der Hirntiere weder hirntierisch noch tierisch hirnig ist; oder weil das Personal zwecks Durchlüftung des behäbigen Gesprächs Alibiartistik betreiben muss, z.B:

Blott muss anscheinend gleich weinen. Beaks leerer Blick und das leise Zucken seiner Glieder lassen auf einen Albtraum schließen. Blott reibt sich mit dem Handrücken die Nase. S. 162

… dann dauert es einfach länger mit dem Lesen. Soll einstweilen die einzige negative Leseerfahrung bleiben. Gut, die Gedanken über Filmhelden hättens auch nicht sein müssen (S. 201f), aber das waren nur zwei Seiten. Zwei Seiten lang war auch der Versicherungssketch; und zwei mal zwei Seiten lang ist die zärtliche Begegnung der Millicent mit Mario – und da bin ich endlich beim Thema des Posts: Mario¹.

ähnelt eigentlich niemandem, den sie kennen. S. 146

Wer im Spaß Sympathieträger sein könnte, wurde ja schon diskutiert. Ich merke, wie mir der Mario richtig ans Herz wächst. Inmitten der Zuchtburschen inszeniert ihn Wallace so schön „menschlich“. Das Gespräch mit Schtitt, die verhinderte Liebe im Giftsumach (s.o), das Interesse am Film –

außerdem bringt er bekanntermaßen eine Liebe zu wellenförmig verlaufenden Systemen fleischfarbener Quadrate mit S. 220

Vielleicht, dass Mario unsere Stellvertreter-Position einnimmt, also den ex-impliziten Leser im Buch darstellt, und mit großen Augen und seinem großen Kopf das bunte Treiben der Academy verfolgt² und wie mit einer Kamera einfängt und schluckt…? Hand aufs Herz, ich mag den Kerl!

¹ Die wikipedia hat eigenartigerweise ein anderes Bild von ihm

Bei Mario handelt es sich um einen schnauzbärtigen, etwas klein gewachsenen und dicklichen italienischen Klempner mit blauer Latzhose, rotem Hemd und roter Schirmmütze mit einem M-Symbol.

² Leider auch, wenn ich Marios Zahnlage richtig deute, im Zermalmen, also Verarbeiten des Geschluckten benachteiligt.

Nachtrag:

in Erwartung der sauren Entleerung. S. 149

Dass Kackende etwas Göttliches an sich haben, ist schon vielen aufgefallen. Und wer weiß, wenn wir Menschen die Gesichter an der Stelle unsrer Hintern hätten und vice versa; wie dann wohl der Himmel aussähe, in den alle Gebete (und was für welche!) gerichtet wären?

1 Kommentar zu It’s-a-Me, Mario!

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Clemens Setz

9. September, 2009 um 12:16

Schon W. H. Auden schrieb wunderschön über die Verbindung zwischen göttlichem Schöpfungswerk und Scheißen:

Revelation came to
Luther in a privy
(Crosswords have been solved there)
Rodin was no fool
When he cast his Thinker,
Cogitating deeply,
Crouched in the position
Of a man at stool.

All the arts derive from
This ur-act of making,
Private to the artist:
Makers‘ lives are spent
Striving in their chosen
Medium to produce a
De-narcissus-ized en-
During excrement.

(aus: „The Geography of the House“)

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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