Nach fast 400 Seiten Spaß am Stück, starre ich den Videothekar mit leerem Blick an und kehre unverrichteter Dinge wieder zum Sofa zurück. MUSS. WEITER. LESEN.
Das Subjekt hat Kaffeeflecken und Asche zwischen den Seiten, wir haben uns aneinander gewöhnt. Ich frage mich, wie Wallace es schafft, eine Stille herzustellen, wo eigentlich Getöse sein müsste. Feiner kann man emotionale Schräglagen nicht beschreiben, der US bohrt sich wie ein Holzwurm ins Gehirn.

Der Großvater Incandenzia erbricht sich über dem staubigen Skellett des Ehebettes, Hal tänzelt solange hungrig in einer Höflichkeitschoreographie mit der Moms herum, bis er ihren vom Mund abgesparten Apfel, der zudem nach ihrem Parfum riecht, essen muss. Dabei wird er Zeuge, wie nebenan ein tennisschlägergroßes Mädchen psychisch fachgerecht zerlegt wird.
Überhaupt wird es immer gewalttätiger im US. Vom Besenstiel möchte ich hier gar nicht sprechen, aber wenn brennende, rasende Katzen ihren flüchtenden Mörder Lenz beleuchten, wenn erstickende Katzen „Geräusche“ machen, wenn sie in ihren Plastiksäcken gegen Laternenpfähle geschlagen werden, dann bin ich fast froh, wenn Hunden mit einem guten alten Messer einfach die Kehle durchgeschnitten wird.
Aber dann spricht Lenz mit Green und Green schweigt und hört zu. Man glaubt fast, Lenz können das Katzentöten gegen das mitGreensprechen eintauschen. Aber während Lenz vom grotesken Mästungstod seiner Mutter berichtet, hat Green eigentlich mehr zu sagen. Man hätte schon misstrauisch werden können, wie angemessen und ausgeglichen der schweigt. Green hat nicht nur seine Mutter auf dem Gewissen, die sein, vom Vater untergejubeltes Scherzartikelgeschenk nicht überlebt, der Vater wird zudem hinterher zu einer selbstzerfleischenden Fratze und versetzt Scherzartikel seiner Firma mit Sprengstoff, wird also bald nach dem Tod der Mutter hingerichtet. Uff. Jetzt vielleicht doch noch mal zum Videothekar?

5 Kommentare zu Vielleicht doch lieber Wes Anderson?

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achim szepanski

1. November, 2009 um 22:25

immer ruhig durchatmen. das ist realität (geknickts) auf st.pauli oder im bahnhofsviertel in frankfrut.

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Guido Graf

1. November, 2009 um 22:29

wodurch das eine wie das andere ja nicht besser wird, oder? muss man dem Schrecken durch kategoriale Wertung begegnen? geht das überhaupt?

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achim szepanski

1. November, 2009 um 22:33

oder anders gesagt: wollen sie das ihrer deutschlehrerin erzählen?

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Guido Graf

1. November, 2009 um 22:41

gerade der

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JesusJerkoff

2. November, 2009 um 20:30

Man könnte auch, statt sich über Dosensuppen aufzuregen, mit der MK-Ultra Episode (S. 692; En. 198) weitermachen. Das schwappt Mr. Wallace so richtig ins Leben.

Viel Spaß noch!

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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