Im Interview hat seine Schwester Amy von David Wallaces Angst erzählt, für nicht männlich genug gehalten zu werden. Trotz seiner athletischen Figur. Er war der Überzeugung, er müsste männlicher auftreten. Ständig machte er sich auch Gedanken um seine Haare. Eine Zeit lang war Wallace mit einer Kosmetikerin zusammen. Dass so eine Vielzahl von kosmetischen Produkten verfügbar war, hat ihn allerdings nur misstrauisch gegenüber Haarwaschmitteln und ähnlichen Dingen gemacht. Ein beständiger Quell der Verunsicherung. Im Harper’s-Essay behauptet Wallace, dass er als Tennis-Junior ziemlich schmalbrüstig gewesen sei, seine Handgelenke so dünn waren, dass er sie mit Daumen und kleinem Finger umfassen konnte. Das alles hätte dazu geführt, dass er den Ball nicht härter hätte schlagen können als die meisten Mädchen in seinem Alter.
Der Ausweg, um trotzdem einigermaßen erfolgreich Tennis spielen zu können, sei für ihn die Mathematik gewesen: „ich kannte meine Grenzen und die Grenzen des Platzes“ – um das zu illustrieren, führt Wallace im Folgenden die meteorologischen Bedingungen an, unter denen man in Philo, Illinois im Freien Tennis spielt (Wind, Feuchtigkeit), sowie weitere Widrigkeiten. Die Bedeutung des Windes wurde, so Wallace, erst klar, wenn er, wie oft im August, ausblieb. Das Rauschen des Windes war für ihn eigentlich Stille. Und wenn der Wind auf einmal nicht mehr blies, war ihm, als würde alles Blut im Kopf zusammenschießen und „all die kleinen Trommelfellhärchen zitterten wie ein Trinker auf Entzug“.
Drei Dinge seien ihm gegeben gewesen, um seine körperlichen Defizite zu kompensieren. Das erste sei, dass er ständig unglaublich schwitze. Auch Hal schwitzt immer mehr als andere. Hier müsste man auch James Incandenzas dreistündigen Film Wie Anno dazumal hinzuziehen: „Angejahrter Tennislehrer, der sich anschickt, seinen Sohn im Tennisspiel zu unterweisen, betrinkt sich in der Garage der Familie und hält dem weinenden und schwitzenden Sohn zusammenhanglose Monologe.“ Weinen und Schwitzen gehen ineinander über. In Unendlicher Spaß wird der Zusammenhang von Schweiß und Panikattacken explizit. Sein übermäßiges Schwitzen, so Wallace im Essay, hat ihm gegenüber den Nicht-Schwitzenden in Spielen an schwülen Hochsommertagen einen erheblichen Komepnsations- und damit Ausdauervorteil verschafft.
Die zweite Gabe sei sein Wohlgefühl in der Umgebung gerader Linien. Angefangen beim regemäßigen Raster seiner Heimatstadt Philo:
Philo, Illinois.
Dass er das rechtwinklige Raster mehr mochte als etwa andere Kinder, führt Wallace im Essay darauf zurück, dass er nur zugezogen sei, von Ithaca, New York, wo sein Vater seinerzeit promovierte. Die Hügel und Kurven von Upstate New York hätten sich wohl in sein Hirn gewoben, denn die anderen Kinder, mit denen er raufte und spielte, haben in dieser planen Welt aus rechten Winkeln nie etwas Besonderes gesehen. Dann erzählt Wallace, wie er einmal im April einem Nachbarsjungen geholfen hat, dessen Mutter zu helfen, einen Gemüsegarten anzulegen. Der Garten als Ganzes war ein perfektes Quadrat. In diesem Quadrat gab es nun eine Quincunx-Anordnung wie man sie besonders in französischen Gartenanlagen findet. Das mittlere der fünf Felder war der heiligen Zucchini vorbehalten. Die Anordnung der Wege in der E.T.A. folgt übrigens auch diesem Fünfpunkteprinzip. Die Struktur des Gartens wurde mit Bindfaden und Eisstielen vorgezeichnet.

(wird fortgesetzt)

2 Kommentare zu was am Anfang gewesen sein könnte 2

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Stephan Bender

14. November, 2009 um 16:10

Robert Enkes Vater: „Er war in den eigenen Ansprüchen gefangen“

Oder mit Wallace gesagt: „Ja, aber er wird niemals großartig sein!“ :-)

—————————————-

Link: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,661239,00.html

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wolf schwarzkopf

14. November, 2009 um 16:25

ich möchte anknüpfen an das, was am 12. september 2009 von c.setz und g.graf aufgeworfen wurde, innerhalb der, sagen wir logistik;
s.27, (hal ist 18 jahre alt)
hals fahrt ins krankenhaus und das von ihm erwähnte gemeinsame setting – die totengräberszene mit john wayne & gately
„Ich denke an John Wayne, der dieses Jahr das WhataBurger’s gewonnen hätte und der maskiert Schmiere stand, als Donald Gately und ich den Schädel meines Vaters exhumierten“.
und gleichsam erwähnte szene von gately am ende vom buch (?), als er im krankenhaus fieberträumt oder halusziniert.
“Gately ist der beste Gräber, aber er ist übel hungrig, also unbezähmbar hungrig, und isst mit beiden Händen aus Familienpackungen Konzern-Snacks, sodass er nicht richtig graben kann, und es wird immer später, und der traurige Junge will Gately anschreien, dass das wichtige Ding im Schädel des Toten begraben worden sei, und sie müssten die Kontinentalkrise abwenden, indem sie den Totenschädel ausgrüben, bevor es zu spät sei, aber der Junge bewegt die Lippen, ohne dass ein Ton herauskommt, und Joelle van D. erscheint mit Flügeln und ohne Höschen und fragt, ob sie ihn kannten, den Toten mit dem Schädel, und Gately erzählt von seiner Bekanntschaft mit ihm, obwohl er tief drinnen in Panik gerät, weil er keine Ahnung hat, wen die eigentlich meinen, und der traurige Junge hält irgendwas Grausiges an den Haaren hoch und verzieht das Gesicht wie jemand, der voller Panik Zu Spät schreit”.

anmerkung: träumen/erinnern, hereinkommen/herauskommen – der impetus zwingt in eine binäre richtung, die nicht der fall ist, fürchte ich. siehe die exposition von hal, am buchanfang im prüfungskomiteé (zeit in sprache verwandeln, umjustieren der grammatik, holographiekonzept). aber dennoch scheint es mir richtig, aus den figuren heraus zu denken. aber vielleicht geht das nicht (wie in etwa „man kann nicht sein eigenes denken denken..“)

seite 46 szene: james inc. empfängt hal in psychiatermaskerade (hal ist 10 jahre alt)
zitat von ihm selbst zu hal: „….dass sie deinem unschuldig wirkenden Schälchen morgendlicher Ralstanflocken esotherische Mnemoniksteroide beigefügt, die stereochemisch der täglichen subkutanen Mega-Vitamin-Nahrungsergänzungsmittelergänzung deines Vaters nicht unähnlich sind, die aus einem gewissen organischen Testosteron-Regenerationspräperat gewonnen wird, das Jivaro-Schamanen im Becken von South-Central L.A. destillieren“.

anmerkung: apfel der erkenntnis: stechapfel gilt bei den schamanen als haluszinogene wahrheitsdroge – in zusammenhang mit wallace rotationsprinzip/heisenbergsche unschärfe/objektveränderung durch messung/betrachtung.
(mnemoniksteroide- anabolika, cortisole, die sich an eiweiß binden)

weiter auf s. 47, er selbst zu hal: “….. dass die supergeheime Zusammensetzung deiner ..Tennisschläger..aus Hi-Modulus-graphitverstärkten Polykarbonat-Polybutylenfasern organochemisch identisch ist mit der des gyroskopischen Balancesensors, der mise en scéne-Bereitstellungskarte sowie der priapistischen Unterhaltungspatrone, die in das anaplastische Zerebrum deines eigenen überragenden Vaters implantiert wurden nach der grausamen Serie der Entgiftungen und Darmverschlingungen……“

(Polycarbonat – PC und PB spalten Eiweiße im Körper/bei Erhitzung (z.b. durch Mikrowelle), wird Bisphenol abgesondert, führt u.a. zu Erbgutschädigung.
Anaplasie/Zerebrum – Exposition ggü. erdölbezogener Chemikalien. Anaplasie/Astrozytome ((Tumore)) befinden sich vorwiegend im Bereich der Konvexität; das ist der äußere Bereich des Großhirns, subkortikal. Symptome: Epilepsie, Hirndruck, Papillenödem usw.)

anmerkung: ist das masterband im kopf von ihm selbst, oder wurde eine andere „karte“ zuvor installiert? (das würde auch das karten umdekorieren erklären, oder ist mir was entfallen?) dann müsste incandenza ständig in seinem film sein.

das chemisch-medizinische zeug ist von wikipedia/fachseiten etc.
die übertragungen von gegebenheiten – heterotroph, würden die these von c.setz – der mandelbrotschen fraktale/ähnlichkeiten untermauern, aber nicht meine fragen beantworten, nach sinnvollen zusammenhängen, siehe oben, zwischen gately und hal+Geist-erselbst, bzw., was von wem in den kopf von incandenza implantiert wurde. möglich wäre, dass hal und gately beide – die patrone gesehen haben. bei gately könnte das allerdings nur in der retrospektivgeschichte passiert sein, die er – letzte buchseiten (entkartung von fax) – schildert, während er im krankenhaus ?? am strand liegt??

vielleicht haben hal und gately die patrone durch ihre körperlich chemische disposition (eiweiß??) überlebt und befinden sich in einer komplexen dreieck-beziehung – mit dem heiligen geist ihm selbst. andererseits kann man eine patrone auch löschen. zeit in sprache zu transformieren hieße, wir lesen gelöschte zeit. für den fall, dass zeit überhaupt eine rolle spielen könnte im nichteuklidschen system. daher kapiere ich das ende auch nicht, weil es offenbar kein ende ist, dass heißt, man müsste sich durch chemie, mathe (neurologie)und philosophie durcharbeiten & das wiederum aus dem literarischen referenzsystem zurückübersetzen in axiomatische (bzw. nicht axiomatische) relationen. meine spekulationen sind unbefriedigend, weil es welche sind und keine gefassten gedanken.

das complementäre ist dissoziativ, sagt wallace (+patrone= unendlichkeit+ system nichteuklidscher mathematik+annulation usw.usw.) zur these, @alea – complement als unendlichkeit (schleierding) – dabei fällt mir aus wallace’ syllabus, seine frage nach dem “unterschied zwischen komplement und kompliment“ – als antwort ein. und wäre mario aus dieser dialektischen betrachtung heraus (memoriere jesus j. im us), nicht das joelle-complement par excellence?

„ortho stice –der vertikale schatten und hal horizontal zum ende hin (sich räume vorstellend, der noch vor ihm liegenden speisen und abborte) und objekte in doppeldeutigen „schnee“, universell verpackt, nicht zu vergessen, die vielzahl gekrümmter rücken, zitat von mir. ich ahne entitäten in unterschiedlichen postleitzahlenbereich, aber ich sehe noch keine verbindung.
@ alea
interessant könnte sein, ist ein anderes thema (die stelle finde ich gerade nicht); gründe der mütterlichen fürsorge zum kind als generative schuld- mythologie vs. geschichtsschreibung?, erinnern sie sich?
gibt es so etwas wie eine zeittabelle?

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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